Parkplatz

Scheinbar hatte sie Sherlock vor sich sitzen, wie sie nicht gerade begeistert feststellte. Nemis seufzte und verdrehte die Augen. "Na schön, meine Stimme...", sie stockte, und überbrückte die Pause mit wirren Handgesten, weil sie nicht wusste, wie sie das ausdrücken sollte, "kann irres Zeug." Sie sah ihm fest in die Augen um sicher zu gehen, dass er ihr glaubte. "Ich meine vom Tonumfang aber eben auch was hypnotisieren, oder beeinflussen oder wie man es nennen will, betrifft." Dann wartete sie erst einmal mit einer inneren Spannung ab, denn es war völlig neu für sie, darüber zu sprechen.

Joaquin nickte als sie ihm ihre Fähigkeit erklärte. Ihre ziemlich coole Fähigkeit. Nun hatte er das Bedürfnis sie singen zu hören, aber das stellte er erstmal zurück.
"Ich hab mich genauso gefühlt wie du als ich das erste Mal mit Jemanden darüber sprechen konnte... Es ist aber irgendwie cool, oder?" Er grinste. "Ich mein darüber zu reden."

Sie runzelte die Stirn und musste grinsen über das, was er sagte. Vielleicht war es wirklich cool und vielleicht würde sie so mal ein par Antworten bekommen. "Das heißt es gibt noch andere?"

Er nickte. "Das kannst du laut sagen." Er zählte sie einmal durch... es waren sieben insgesamt.

Sie sah an einen unbestimmten Punkt und zog dann die Lippen zur Seite, nickte leicht und ließ sich zurück in den Autositz fallen. "Wow.", gab sie leise von sich. Sie hatte es in Betracht gezogen, aber jetzt war es so real. Es gab mehr von dieser Sorte da draußen, auf ihrer Schule, die ebenfalls so abgedrehte Fähigkeiten hatten, wenn nicht noch abgedrehtere. Nach einem kurzen Moment des Nachdenkens sah sie dann entschlossen wieder zu dem Latino. "Okay, ich habe viele Fragen: Wie genau funktioniert dein "Gefühle spüren"?, sie machte mit ihren Händen Anführungszeichen, "Was war der Auslöser? Wer sind die anderen? Was können die? Wieso warst du dir so sicher, dass ich was kann? Und wie zur Hölle heißt du?!" Dann gab sie ihm Zeit auf all das zu antworten.

Joaquin zog die Augenbrauen hoch und fühlte sich recht erschlagen von der Welle an Fragen, aber verdenken konnte man es Nemis nicht. "Nun, ich bin Joaquin." Er winkte ihr gespielt zu und fuhr dann fort: "Ähh... die Ursache kenn ich nicht, leider. Da sind wir beide gleich unwissend. Die Anderen kenn ich zwar inzwischen vom Namen her, aber weiß nicht welche Fähigkeiten sie haben. Noch nicht." Er biss sich leicht auf die Unterlippe und dachte über Kanan nach, es war besser sie nicht zu erwähnen, das konnte die Russin selbst entscheiden ob sie sich Nemis offenbaren möchte oder nicht. "Ich habe eine Komplizin, deren Name ich aber nicht preisgeben kann." Dann erzählte er ihr von dem Plan und der Notiz, die er Roger hinterlassen hatte, er erwähnte aber weder Kanan noch ihre Fähigkeit.

Sie hörte zu und nickte zwischendurch, als er von der "Erpressung" erzählte, musste sie lachen. Diesen Roger kannte sie nicht wirklich, meinte aber, den Namen schon mal auf der Schule gehört zu haben. Dann schmunzelte sie. "Bei 'Joaquin' brech' ich mir die Zunge, ich nenn' dich Quino." Damit war das schon mal für sie geklärt. "Also, du hast mir noch nicht verraten, wie das mit deiner Fähigkeit nun abläuft.", erinnerte sie ihn. Sie wollte wissen, wie weit seine Fähigkeit ging und wie präzise sie war, damit sie ihn und diese Sache besser einschätzen konnte. Immerhin war es nicht gerade beruhigend zu wissen, dass der Gegenüber genau wusste, was in einem vorging. Gerade da sie die meisten Menschen eigentlich lieber auf Distanz hielt. Und ihn bloß umso mehr.

Joaquin grinste schief. "Quino? Sehr schön zu wissen, dass unsere Beziehung bereits das Stadium erreicht hat in der wir uns Spitznamen geben." Nun musste er sich nur noch einen für sie ausdenken, doch ihm viel kein gescheiter ein. Was sollte man bei Nemis auch abkürzen oder vereinfachen? Er würde sie fürs erste mit Ninjas assoziieren. Diesen Gedanken aussprechen konnte er jedoch nicht mehr, denn die Blondine schnitt ein neues Thema an. Sie interessierte sich also für seine Fähigkeit.
"Hm... " Er tätschelte sich das Kinn und blickte aus der Windschutzscheibe. "Es ist einfach so, wenn ich jemandes Gefühle spüren möchte spüre ich sie. Jedoch steuer ich das nicht mit meinen Gedanken sondern mit meinen Gefühlen, sagen wir ich fühle mich in Bezug auf dich neugierig, dann erfahre ich deine momentanen Gefühle." Er drehte seinen Kopf zu ihr und wackelte auffordernd mit den Augenbrauen.

Nemis lachte höhnisch irritiert. Die Vorstellung war ja furcht einflößend, in ihrer Gefühlswelt wollte sie diesen Qualmer nun wirklich nicht haben. "Soso. Das heißt, von den Leuten, die dir am Arsch vorbei gehen, spürst du auch nichts. Hab ich ein Pech...", das letzte murmelte sie und sah wieder geradeaus über den Parkplatz auf dem sie standen. "Und...dass ich auch ne Fähigkeit habe, hast du das auch 'erspürt?' Ich meine unser Deal war ja deutlich: du solltest die Sache einfach vergessen und trotzdem bist du irgendwie drauf gekommen." Im Verlauf ihrer Frage schweifte ihr Blick wieder rüber zu ihm und dann auch ihr Kopf.

Er lachte kurz auf. "Tjaa, ich stand nicht nur so rum. Ich hab auf 'nen Kollegen gewartet, der beim Nachsitzen war. Natürlich wurd ich angespannter umso länger ich warten musste, deshalb bin ich einfach rein und was finde ich vor? Ein Lehrer sowie zwei Schüler die tief schlafen..." Er schüttelte den Kopf. "Da wusste ich es muss was faul sein, ich mein Schule kann sehr langweilig und ermüdend sein, gerade Nachsitzen, aber das war nicht normaaal." Er drehte die Handflächen nach oben während er das Letzte sagte und schaute mit etwas aufgerissenen Augen zu ihr. "Ich hab selbst ne komische Fähigkeit und da kam es mir nciht ungewöhnlich vor wenn du auch eine hättest. Normale Menschen hätten vielleicht nicht eins und eins zusammen gezählt."

Nemis schloss die Augen und lachte leise. Jetzt verstand sie. Dann wandte sie sich wieder gerade aus und startete das Auto, fuhr aus der Parklücke und zurück auf die Straße, wobei sie nebenbei meinte: "Na dann hat es sich ja richtig gelohnt, dein Fahrrad zu schrotten." Immerhin wusste sie nun viel mehr als vorher.
Sie fuhren wieder die normale Straße entlang und überlegte, wie es nun für sie weiter gehen würde. Sollte sie sich Roger und seinen Freunden vorstellen? Sollte sie auf Quino und seine "Komplizin" warten? Auf jeden Fall verspürte sie das Bedürfnis etwas mit ihrem neuen Wissen anzufangen und nicht so weiter zu machen wie bisher.

Quino grinste halbherzig. Er hätte sie so oder so angesprochen, dafür hätte sein Fahrrad nicht draufgehen müssen. Bei dem Gedanken daran seufzte er und er blickte aus dem Fenster. Sein Fahrrad. Vielleicht könnte man es auch reparieren...
Er fuhr sich mit beiden Händen durch die Haare. "Soll ich dich auf dem Laufenden halten was unsere Aktion da angeht?" Quino drehte seinen Kopf zu ihr. Sie schaute auf die Straße und er betrachtete ihr Profil. Er fand sie hatte eine echt schöne Nase.

Nemis dachte einen Moment nach, dann meinte sie schlicht. "Ja." Danach klang nur noch das Radio leise im Hintergrund. Sie drehte es etwas lauter, summte leise mit. Ihre Gefühle blieben völlig cool, immerhin hatte sie den Plan schon länger im Hinterkopf gehabt. Sie waren noch nicht bei ihm angekommen aber aus dem Summen formte sie die Worte: "Steig aus, nimm dein Fahrrad.", und kam exakt dann, als sie die Worte beendet hatte, am Seitenrand zum Stillstand. (Ich hoffe es ist ok:) Gerade rechtzeitig, sodass ihr Beifahrer die Tür öffnete und ihrer Hypnose nachkam. Als er dann neben dem Auto stand, war ihre kleine Beeinflussung schon wieder verflogen und die Türen von innen verriegelt. Die Blonde ließ die Scheibe runter und beugte sich rüber, um mit ihm reden zu können: "Wenn das noch nicht reicht, um in die Kategorie 'Menschen, die dir am Arsch vorbei gehen' aufgenommen zu werden, sag Bescheid." Schließlich grinste sie frech und hielt noch kurz den Blickkontakt, dann fuhr sie mit aufgewirbeltem Staub weg und hoffte, er würde verstehen. Er sollte sich mit seinen komischen Fähigkeiten bei jemand anderem austoben, sonst würde sie mit ihren das gleiche tun. Den Rest nach hause würde er also sein verbeultes Fahrrad zu Fuß schieben müssen, was sicher ein lustiges Bild abgeben würde.
Sie war sich sicher, dass er keine Anzeige erheben würde, auch wenn sie ihn nicht bis vor die Haustür gefahren hatte, immerhin hatte sie nur zugesagt, ihn mitzunehmen. Bis wohin hatten sie nicht geklärt. Auch wenn sie ihn im Rückspiegel schon längst nicht mehr sehen konnte, erwischte sie sich dabei, immer noch zu grinsen.

Joaquin war verwundert. Er hielt sein Fahrrad in den Händen und schaute durchs Beifahrerfenster zur Blonden. Hä? Er verstand gar nichts mehr. Was hatte er denn getan?
Mit gerunzelter Stirn schaute der ihrem Auto hinterher. Also für ihn rutschte sie tatsächlich in die Kategorie der Menschen, die ihm am Arsch vorbei gehen. Er hatte noch nie einen solch brüske Person kennen gelernt. Da überfahrt sie SEIN Fahrrad, sie unterhalten sich ganz normal und sie wirft ihn aus ihrem Auto. Fassungslos schüttelte er den Kopf, nahm sein Fahrrad und schlenderte nachhause.


GT// Haus der Ortegas

Die beiden warteten versteckt draußen hinter der Halle auf ihre Liste. Dann war es soweit: Kanan konnte den fetten Zwerg schon riechen, als er um die Ecke kam. Er roch nach Süßigkeiten, Kaugummi und Schweiß. Desinteressiert streckte er ihnen die Liste hin und hielt dafür seine andere Hand auf, in die Kanan ihm nun eine Packung Snickers gab.
"Sorg dafür, dass sie dich nicht sehen, wenn du gehst..und falls sie dich später ansprechen, denk an unsere Vereinbarung." Die Worte an sich mochten wie ein Hinweis wirken, doch von der Russin ausgesprochen schwang eine implizite Drohung mit. Der Junge ging und verschwand.
Kanan sah grinsend zu Quino, hob dabei die eine Augenbraue an und atmete noch mal tief aus, ehe sie die Liste aufklappen würde...Doch dazu kam sie nicht, denn etwas schreckte sie auf. Einen Moment verharrte sie in Konzentration, dann steckte sie sich die Liste in den Ausschnitt (wo keiner wagen würde, hinzufassen), und zog Quino am Arm mit um die Ecke. "Sie kommen.", bemerkte sie noch schnell aber kontrolliert, als sie sich nach einem Versteck umsah.

Quino begutachtete die Liste mit einem gefälligen Grinsen auf den Lippen. Sein Grinsen wurde dann breiter als Kanan die Liste in ihrem Ausschnitt vergrub. "Heiß.", zischte er leise. Während sie ihn dann um die Ecke zog wandte er den Blick schnell ab, dabei sah er einen Transporter, der zu der Malerfirma gehört, die gerade dafür zuständig war die Schulkorridore neu zu streichen. "Da.", sagte Quino ganz leise und zog Kanan in die andere Richtung. Schnell waren sie beim Transporter angelangt, der offen war.
Der Latino schob die eine Tür bei Seite und ließ Kanan einsteigen, dann folgte er ihr und zog die Türen ran. Zwischen Farbeimern, Pinseln und Malerrollen verschafften die Zwei sich Platz zum Sitzen.

Kanan sah bloß zu, wie Quino im Inneren Platz machte und setzte sich dann hin. Sie roch noch einmal, ob die anderen ihnen folgen würden..doch ihr Geruchssinn wurde durch die ganzen Farbeimer und Grundierungsmittel etwas gehemmt.
Sie zog dennoch die Liste aus ihrem BH, wobei sie die Hormone ihres Komplizen für einen kurzen Moment förmlich riechen konnte. Dann klappte sie das Stück Papier auf und hielt es so, dass auch der Latino mitlesen konnte.

Roger Larook - absolutes Gehör
Dorothea Bertani - Selbstregeneration
Ascal Osorio - perfektes Gedächtnis
Liam Benson - perfektes Sehen

Ihre Lippen verzogen sich langsam zu einem genüsslichen Lächeln. Diese ganze Sache hatte ein größeres Ausmaß, als sie gedacht hatte. Ihre Pupillen gingen seitlich zu dem Kerl neben ihr, um seine Reaktion zu sehen.

Er las mit und war begeistert. Und nach der Begeisterung folgte die bittere Enttäuschung, dass er wohl die unnötigste Fähigkeit besaß. Quino las noch einmal. "Perfektes Hören", las er gedanklich. Oh man, wie krass wäre das wenn er sowas drauf hätte? Was könnte er für Musik schreiben wenn er alles perfekt hören würde... Oder Gedächtnis, er könnte sich jedes Lied merken, jedes verdammte Lied. Er schluckte schwer. Die Liste deprimierte ihn. Eigentlich nahm er das Gegenteil an, er wollte unbedingt wissen was die Anderen drauf hatten und nun würde er es lieber vergessen. "Wow, ich komm mir vor wie bei X-Men."

CF/ Turnhalle

Nachdem die Gruppe auf'm Parkplatz angekommen war sah Thay sich gewissenhaft um. Da war keiner, nicht einmal das Kind, das die Liste entgegen genommen hatte. "Roger, hier ist Niemand." Es war zwar offensichtlich, dass Niemand da war, doch schlussfolgerte Thay das um heraus zu finden was Roger eigentlich gehört hatte.

Kanan glaubte, eine Spur Enttäuschung in seinem Gesicht erkennen zu können. Dann schmunzelte sie. "Die frage ist, auf was das alles hinaus läuft...Umso mehr Leute mit umso extremeren Fähigkeiten hier rumlatschen, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass eines Tages was schief geht oder wir auffliegen." Aber dieser Gedanke war nicht neu. Sie war immer noch fasziniert davon, dass ihre Schulkollegen solche Dinge drauf hatten.
"Ich wüsste zu gerne, wie weit diese Sachen gehen...", dabei dachte sie besonders an die Selbstregeneration und das Gehör.

CF//Turnhalle

Roger der rausgehetzt war, sah sich hektisch um. Dann kamen auch die anderen zu ihm aufgeholt. Und dann wiederholte Thay das Offensichtliche. Er war wie eingefroren stehen geblieben und wies alle mit ausgebreiteten Armen und erhobenem "psssscht"-Finger an, die Klappe zu halten. Er hoffte inständig, und er glaubte, dies sei ihre letzte Chance, die Erpresser noch zu hören.
Aber da war nichts...Das heißt, eigentlich war da nie nichts. Aber in diesem Fall eben nur 4 Herzschläge, Vögel, Wind, Autos von der Straße, Blätterrascheln...
Er raufte sich die Haare, krümmte sich nach vorne und trat in die Luft. "So ein...Argh! Was sollen wir jetzt tun? Die sind weg."

Thay seufzte. Das war echt enttäuschend, dass die Erpresser bereits weg waren. Vielleicht hätten sich zwei von Anfng draußen verstecken sollen, während die Anderen die Liste abgeben und in der Halle geblieben wären. Hätte, wäre, könnte... es ist nun zu spät. "Ey Leute, lass gehen. Ich spendier 'ne Runde Kaffee... oder Eis, war ihr wollt." Thay wollte ihre Jungs ein bisschen aufheitern. Gerade Roger und Liam sah sie die Enttäuschung an.

Quino nahm Kanans Gedankengang an. Das traf ihn fast wie ein Schlag. Allein diese Selbstregeneration war krasse Scheisse. Wenn ihr der Arm abgerissen würde, würde er nachwachsen? Er runzelte die Stirn. Oh wow, das war nicht nur faszinierend, sondern irgendwie eklig. Aber genau wie Kanan ergriff ihn die Neugierde: wie weit gehen diese Fähigkeiten?

Roger sah die Schlacht als verloren. Ein wenig wie ein eingeschnappter Junge, der sich zu seiner Mami verflüchtigt, gesellte er sich zu Thay und trottete neben ihr her. "Ich will nen Eisbecher.."

Ascal hatte seine Hände in den Hosentaschen vergraben. Dumm gelaufen, aber das hatte er sich irgendwie schon anfangs gedacht.
"Wir könnten den Jungen befragen.", platzte es dann noch mal aus Roger hinaus. "Die sind nicht dämlich....werden schon dafür gesorgt haben, dass er sie nicht verpfeift. Die Sache is gelaufen.", gab Ascal daraufhin von sich und zerschlug damit ohne es zu ahnen, Rogers vorerst letzte Hoffnungen.