Schulhof

Ging sie ihm auf die Nerven? Ach was solls. Sie senkte ihren Kopf etwas und schaute ihn scharf musternd an. "Uuund seitdem gehts dir gut?"

Nun verschmälerten sich wieder seine Augen und er wirkte misstrauisch. Seit dem war ihm 3 Tage lang beinahe der Kopf explodiert. Zwei Mal hatte sie nun nach diesem Tag gefragt und jetzt fragte sie, ob es ihm gut ging. Noch dazu musste es ihr so wichtig sein, dass sie ihn dafür extra hier her orderte. Sie wusste eindeutig etwas, das er nicht wusste. Für ihn bestand kein Zweifel mehr, diese Schülerin hatte keine anderen Absichten, von welcher Art auch immer. Doch auch wenn er ein aufrichtiger Mensch war, was diese verrückte Sache anging, war er vorsichtig. Er hatte eine Fähigkeit, er war ein menschliches Tagebuch, ein Kalender. Das konnte nicht normal sein, nicht von jetzt auf gleich und nicht mit diesen anfänglichen Kopfschmerzen, das war ihm ja schon vorher klar gewesen.
"Ging es dir nicht gut?", fragte er jetzt um nichts zu riskieren. Aber Antworten wollte er ja schon, also ging er die Sache langsam an.

Sie musterte ihn von oben bis unten, während er nachdachte. Ascal sah aus wie ein normaler Schüler und das verunsicherte Thay umso mehr. Hier sahen alle normal aus, jeder könnte was abbekommen haben. "Was?", lachte sie leise. "Ich hab dich zuerst gefragt... wie meinst du das mit: ging es dir nicht gut?" Darauf war sie nciht vorbereitet.

"Ich mein es so, wie du es meinst.", antwortete er mit sicherer, samtiger Stimme und seine dunklen Augen wirkten immer noch völlig ruhig, kein bisschen nervös, höchstens skeptisch.

"Mir ging es gut an diesem Montag.", erklärte Thay einfach. Sie wusste gar nicht mehr wann die Schmerzen und das Schwitzen angefangen haben, ob noch am selben Abend oder doch erst am nächsten Tag, deshalb war es auch keine Lüge oder so.
"Und dir?", hakte sie nach.

Ascal wusste im Gegensatz zu ihr noch genau wann es begonnen hatte. Mit den Schmerzen hatte er es sich merken können, daher war das erste, was er sich merkte die Schmerzen. Dennoch war er sich immer noch sicher, dass sie vielleicht eine Antwort hätte, also beschloss er einen Schritt weiter zu gehen.
"Hatte Kopfschmerzen. Was weißt du, was ich nicht weiß?" Diese Frage kam direkt und er wollte sie damit aus der Riserve locken. Es war wie bei einem Schachspiel, bei dem er einen Bauer riskierte aber dafür jeder Zeit mit einem Läufer zuschlagen könnte.

"Ich weiß Dinge, die du gerne wissen würdest, glaub mir.", gab Thay nur von sich, denn so langsam war sie sich ziemlich sicher Ascal wäre infiziert. Kopfschmerzen also...

"Und du wirst mir diese Dinge sagen. Deswegen bist du doch hier, oder?", hakte er nun mit relaxter Überzeugung nach. Seine Ruhe war eine große Stärke von ihm, im Schach wie im Leben.

Thay hatte die Spielchen leid. Sie ist zwar chillig wie sonst auch, aber trotzdem angespannt. So kannte sie sich selbst gar nicht. "Hast du dich verändert seit dem Montag? Sag es mir einfach."

Roger, der sich den Schnürsenkel nun schon 4 Mal gebunden hatte, lauschte aufmerksam mit. Er glaubte nicht, dass Ascal ihn beachtete, deswegen legte er keinen Wert auf eine bessere Tarnung. Faszinierend war jedoch, wie gelassen er blieb. Auch Roger war sich nun zu 98% sicher, dass er betroffen war, aber sein Herzschlag beschleunigte sich zu keinem Moment. Thay dagegen kannte er nun gut genug, um zu wissen, wann sie leicht nervös wurde. Und nun ging sie aufs ganze - mutig. Roger fieberte mit.

Wahrscheinlich wollte sie wie er sicher gehen, bevor sie etwas ausplauderte. Eben diese Vorsicht ihrerseits ließ ihn ihr vertrauen, zumindest soweit. Bisher wirkte er ernst, nun breitete sich ein Lächeln in seinem Gesicht aus und schließlich grinste er breit mit weißen Zähnen und schüttelte den Kopf. Na gut, dann eben mit offenen Karten, dachte er sich. "Dann lass uns beide ehrlich sein. Ich hab mich verändert, ja. Also was weißt du darüber?"

"Gut! Also nein, wahrscheinlich nicht besonders gut für dich...", kam es aus Thay heraus. "So einfach ist das nicht. Du kannst mir vertrauen, glaub mir. Bitte erzähl was sich genau an dir verändert hat?"
Sie musste es genau wissen und sie glaubte auch Roger würde es genau wissen wollen. Er hörte alles mit und das war gut. Irgendwie fühlte sie sich so im Rücken gestärkt.

Er kam minimal näher, hatte seinen Blick auf sie fixiert und sprach nun etwas leiser. Musste ja nicht jeder wissen. "Es ist mein Gedächtnis, ok? Ich kann nichts mehr vergessen, jede scheiß Information - sie wird abgespeichert und ich kann einfach drauf zurückgreifen, verstehst du?" Er hatte erstmals die Hände aus den Taschen genommen und unterstrich seine Erklärungen nun mit Gestik. Es war nicht so einfach es ihr zu erklären, es war einfach so abnormal. Aber nur weil es etwas seltsam für ihn war, brachte es ihn trotzdem nicht ins schwitzen. Die Sache wurde langsam interessant und er wendete keine Sekunde seine Augen von ihrem Gesicht ab, um zu sehen, ob sie verstand, wovon er sprach.

Thays Augen weiteten sich. Nicht aus Unglaubem, sie war schließlich auch ein "Freak". Aber ein perfektes Gedächtnis, das ist unglaublich.... und sogar wahr.
Sie konnte beobachten wie sich Ascals Miene veränderte, doch weil sie ihn kaum kannte konnte sie dies nicht zuordnen.
"Ich versteh dich.... hab da so ein ähnliches Problem.", zwinkerte sie ihm zu und fragte ihn dann: "Kostprobe gefällig?"

Sie glaubte ihm, das war gut. Und noch dazu gab sie ihm zu verstehen, dass sie ebenfalls so eine "Veränderung" erlebt hatte. Er konnte sich darunter jedoch nichts vorstellen, genauso wenig wie, was die Ursache für all diesen Kram war. Deswegen zögerte er einen Moment, bzw er nahm sich einen Moment Zeit um nachzudenken. Dann nickte er leicht und zuckte mit den Schultern. "Ja, ok man."
Er hatte ja keine Ahnung was ihn gleich erwarten würde.

Roger, der ja alles mithörte, staunte nicht schlecht. Erst mal funkelten seine Augen regelrecht über seine Fähigkeit. Ein perfektes Gedächtnis..was man damit alles für Möglichkeiten hatte! Wie Roger diese einzigartige Gabe nutzen würde. Er würde sie voll nutzen, ganz bestimmt.
Doch während er noch am träumen war, bat Thay etwas an, dass ihn in die Realität zurück kommen ließ. Eine Kostprobe ihrer Mutation? Roger biss sich auf die Unterlippe. Er wusste, dass das bedeutete, sie würde sich jetzt wieder verletzen. Es war wichtig, um Ascal zu gewinnen und ihm alles klar zu machen, das wusste Larook schon. Aber verdammt es war einfach nicht richtig, dass sie sich selbst verletzte.
Deswegen handelte er einfach aus Instinkt, als er es nicht mehr aushielt. Thay stand mit dem Rücken zu ihr. Er stand auf, ging zielstrebig zu den beiden hin "Heeeeey." und legte seinen Ellenbogen auf Thays Schulter. Es war schwachsinnig, ja, aber er hatte irgendetwas tun müssen. "Ich bin Roger, der Typ mit der Tür im Gesicht, weißt du noch?", fragte er mit Lachem in der Stimme, ein zwanghafter Versuch Sympathie zu erzeugen.

"Gut dann komm mi..." Doch bevor Thay ihren Satz beenden konnte kam auch schon Roger an. Sie hätte es erwarten müssen. "Ich bin Roger, der Typ mit der Tür im Gesicht, weißt du noch?"
"Jaaa... heeey, oder der Typ, der es nciht mag wenn ich mich selbst verletze.", kam es dann gelassen aus ihr raus. "Ignorier ihn, komm einfach mit Ascal." Thay schritt vorran auf den Weg in eine etwas abgelegenere Ecke des Schulhofes.

Ascal blieb völlig unbeeindruckt von der Situation. Seine Mimik veränderte sich kein Bisschen, selbst wenn er sich fragte, wo der komische Vogel auf einmal herkam. Erst als Roger ihn dann fragte, ob er sich noch an ihn erinnere nickte er gerade und wollte etwas sagen, als auch schon Thay einhakte. Sein Blick wanderte analytisch aber irgendwie auch gleichgültig von Roger zu Thay. Der braunhaarige Typ schien auch etwas mit der ganzen Sache zu tun zu haben und der Schwarze fragte sich immer mehr, was hier eigentlich abging.
"Dich selbst verletzen?", wiederholte er fragend, als er gemächlich in die Ecke des Schulhofes folgte.

Roger gab sich nicht damit zufrieden, einfach so abgewimmelt zu werden und er folgte ebenfalls, allerdings mit protestierenden Schritten.
Als Ascal dann nachfragte, meldete er sich wieder zu Wort. "Ja, ganz richtig! Und die Tatsache, dass es wieder verheilt, macht die Sache kein Stück besser." Damit versuchte er Thay dazu zu bringen, es doch nicht zu machen, auch wenn er eigentlich zu Ascal sprach.

Thay ignorierte Roger gekonnt. Genauso wie sie es schon sooft bei ihren Brudern tun musste. Sie stellte sich vor Ascal damit niemand sehen konnte was da genau ablief. Man könnte sich von weitem denken, die würden dealen, was natürlich nicht der Fall war.
Ihre Taschenmesser hatte sie bereits auf dem Weg dorthin gezogen und ritzte sich nun in die Handfläche. (Im Laufe der Zeit wurde das ihre Lieblingsstelle)
Thay achtete darauf, dass Ascal alles mitansehen konnte, den Schnitt und die darauffolgende Selbstheilung. "So, mein Job ist getan, du bist dran Boss.", gab sie von sich und schaute rber zu Roger von dem sie nun erwartete eine Erklärung für Ascal abzugeben.

Ascal verstand erst mal nicht viel. Wie sollte er auch schon mit logischem Denken darauf kommen, dass diese Schülerin hier solche Selbstheilungskräfte besaß. "Woh.", macht er und schloss kurz die Augen, als sie sich in die Hand schnitt. Dann sah er aber aufmerksam und dennoch mit den gewohnten schweren Lidern hin wie die Wunde sich schloss. Nun konnte man mit geschultem Auge erkennen, wie sich sein Kiefer anspannte. Er sah zu Thay, die das Kunststück ja vorgeführt hatte und hob erneut die Hand zur gestischen Untermalung. "Das ist echt schräg, Leute. Kann mir jetzt mal einer sagen, was hier läuft?"
Sein Blick schwenkte zu Roger, da das Mädchen ja auch meinte, nun sei er an der Reihe.

Roger hielt sich die Hand seufzend als Schirm vor die Augen, als sie sich ritzte.
Und danach drückte Ascal seine Verwirrung aus und Thay spielte ihm den Ball zu. Das überrumpelte ihn jetzt etwas. "Äh...wie soll ich anfangen.", er überlegte kurz und legte dann die Hände zusammen wie ein Politiker. "Ich denke nun sollte klar sein, dass wir alle 3 im selben Boot sitzen. Bei dir ist es dein Gedächtnis, bei ihr die Regeneration und bei mir ist es das Gehör. Du wirst sicher wissen wollen, was der Auslöser für diese Veränderungen ist. Nun...Vor 4 Wochen scheiterte ein chemisches Experiment, dass wir in Chemie zusammen durchführen müssen. Bisher ist mir selbst auch noch unklar, was im Einzelnen passierte, aber fest steht, dass ein Rauch entstand, der etwas in unserem Körper oder sogar unsere Gene selbst beeinflusste." Er sah zu dem Schwarzen um zu sehen, ob er alles nachvollziehen konnte.
"Dass du betroffen bist, beweist, dass es einen gewissen Radius um den Chemieraum gegeben hat, in dem sich der Rauch verbreitete. Deswegen brauchen wir dich um die Folgen besser abschätzen zu können...Wer zum Beispiel war der Aufsichtslehrer beim Nachsitzen? Theoretisch müsste er ebenfalls was abbekommen haben."

Ascal verfolgte die Erklärung, die man ihm gab neutral mit. Es war nicht so, als wäre es nicht absolut seltsam für ihn, aber Fakt war nun mal, dass er jetzt sowieso nichts an dem was passiert war ändern konnte und froh war, die Zusammenhänge zu kennen.
Er ließ sich mit einer Antwort Zeit, was nur die Spannung steigerte, sah mit hochgezogenen Augenbrauen zwischen den beiden hin und her.
"Leute. Seid einfach froh, dass ich nicht vor 4 Wochen erfahren habe, dass ihr dafür verantwortlich seid, dass mein Kopf fast explodiert ist."

"Ihr...", wiederholte Thay auf lächerliche Weise, obwohl das so gar nciht ihre Art war. Jedoch war der Gedanke, dass sie mitschuldig war nicht fair aus ihrer Sicht. Sie kicherte leise und sagte dann: "Kopfschmerzen, bei mir war es unaufhörliches Schwitzen und zu Anfang Schwindelgefühl. Jetzt sind wir schonmal zu dritt..."
Sie nickte nachdenkend. Wer weiß wie viele "von ihnen" noch da waren.

Roger wusste nicht so recht, wie er nun mit dieser Aussage von dem Schwarzen umgehen sollte. Als unsensibles Gemüse wirkte so eine Aussage in Verbindung mit der chronischen Gelassenheit des Schwarzen in erster Linie einschüchternd. Deswegen verkniff er sich auch, jetzt groß Wert darauf zu legen, dass er , er alleine an diesem Schwachsinn schuld war. Er wollte nicht von irgendwelchen Homies am Bahnhof erstochen werden oder ähnliches, womit er sich ein im toten Zustand ein Bild auf den Titelseiten der Zeitungen sichern würde. Er schüttelte den Gedanken schnell ab.