Haus der Jegorows

Kanan war schon zuhause und feilte sich gerade auf ihrem Bett liegend die Nägel, als ihr Handy klingelte. Sie griff nach dem kleinen Gerät, welches auf ihrem Nachttisch lag, klemmte es sich zwischen Wange und Schulter und feilte weiter, während sie sich mit "Priwjät?", meldete.

Kanan überkam ein breites Lächeln, dass man auch in ihrer Stimme hören konnte, "Joaquín.", und sie wechselte von der linken auf die rechte Schulter, an die sie das Smartphone geklemmt hatte. "Was willst du mir erzählen?" Mit ihrem minimalen russischen Akzent und dem selbstsicheren Unterton klang sie durchaus wie ein russischer Gangsterboss...der sich gerade die Nägel feilte.

Sie hörte dem anderen zu und hatte irgendwann auch ihre Nägelfeilerei beendet. "Interessant." Seine Erzählungen warfen für sie eine Frage auf, die sie auch sogleich stellte: "Bist du begeistert..oder enttäuscht?" Einerseits klangen die Fähigkeiten des Mädchens wirklich vielversprechend und der ganze Ablauf des Treffens klang wie eine gute Story, aber letztendlich hatte sie ihre Fähigkeiten gebraucht um ihn rauszuschmeißen und ja sowieso sein Fahrrad geschrottet. Die Russin wollte wissen, ob er nun zufrieden mit der Sache war oder nicht.

"Ja.", gab sie ziemlich ernst zurück und suchte sich eine bequemere Liegeposition. Dann überkam sie wieder ein verschlagenes Lächeln und süßlich anerkennend antwortete: "Ich bin bloß fasziniert von deiner Diskretion über mich. Du verstehst schnell."

Kanan lachte kurz.
"Was meinst du hat sie jetzt vor? Wird sie sich an dich halten? An Roger? Wird sie weiter machen wie bisher..?"

Kanan meinte aus seinem Seufzer echte Unwissenheit hören zu können. Sie nahm seine Antwort schweigend hin. Seit sie diesen guten Geruchssinn hatte, sprach sie lieber von Angesicht zu Angesicht mit Leiten als über Telefon. Es war als würden ihr so viele Informationen verloren gehen, die sie inzwischen quasi intuitiv über die Nase vom Gegenüber aufnahm.
Sie kannte dieses Mädchen nicht und konnte sie aus seinen Erzählungen schlecht einschätzen. Aber von dem Bild, dass sie bisher von ihr hatte und ihrer Menschenkenntnis, hatte sie bereits mehrere Vermutungen.
"Ok. Übermorgen (Oder schon morgen?) steht ja sowieso erst mal die 'Übergabe' an.", sie grinste bei dem Wort und drehte sich von Bauch- in Rückenlage. "Dann wissen wir mehr und haben entweder neue Spielkameraden oder Antispathisanten.", ein Seufzen spielte in ihrer Stimme mit.

"Wie wäre es undercover mit Kaputzenshirt? Oder bevorzugst du den Undercover-Terroristen-look? Auf jeden Fall nicht zu offensichtlich, vielleicht werden die uns beobachten," , überlegte sie.

"Einverstanden.Vorher noch ein Kind zu entführen gibt der Sache den letzten Kick." Sie wartete einen kurzen Moment um die Reaktion des Mexikaners auf der anderen Seite der Leitung mitzubekommen. "Das war ein Scherz.", stellte sie dann jedoch vorsichtshalber noch klar. "Meinen kleinen Bruder will ich da nicht mit reinziehen...wenn wir ein fremdes Kind dazu bewegen wollen, dass es mitspielt, müssen wir ihm einfach eine Belohnung in Aussicht stellen. Oder hast du da ne bessere Idee?"

Ihr was es nur Recht, wenn der Latino sich drum kümmern würde, sie stimmte zu. Als er vom "beruflichen" zum "privaten" kam, zogen sich ihre Lippen zu einem breiten Lächeln. Nein, dieser Quino verschwendete wirklich keine Zeit. Das gefiel ihr. Dennoch ließ sie einen winzigen Moment länger als nötig auf ihre Antwort warten, um es ihm nicht zu einfach zu machen. Die Russin ließ gerne Leute zappeln. "Hm... Einverstanden. Wir seh'n uns morgen." Nach einer knappen Verabschiedung, legte sie auf und steckte mit einem dezenten Grinsen das Handy weg.